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Rote Karte für Königsblau

Rote Karte für Königsblau

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Karoline Jankowski

Der königsblaue Himmel über der Glückauf-Kampfbahn ist mit weißen Wolken gefleckt. Gelsenkirchen weiß einfach, dekorative Akzente zu setzen.

Auf den Gebeinen der ehemaligen Zeche Consolidation war dieser Ort Schauplatz lodernder Leidenschaft. Bis Anfang der Siebziger waren hier die Schalker zuhause. Mannschaft. Fans.
Und Rudi. Normalerweise macht der Zweirad-Sympathisant mit seiner Frau den Hervester Bruch unsicher. Erfreut sich an den raren Naturereignissen, die das industriell geprägte Niedermoor in
Dorsten zu bieten hat: Grasende Heckrinder, Störche beim Hausbau. Danach ein Eis bei Michele. Das Leben ist schön. Das war nicht immer so. Also die Alltagsgestaltung – das Leben schon.
Denn Rudi kann auf eine bewegte Jugend zurückblicken. Mit zehn begann die Fußballkarriere. Erste Lederpille, erster Anstoß in der Schalker Jugend, erstes Abwehrmanöver unter Max Merkel beim Bundesligaspiel gegen Duisburg. Zwei Mal wurde er eingesetzt. Sollte bleiben. Keinesfalls erduldet, sondern dringlich erwünscht. Rudi sagte nein.

Rot-weiß statt blau-weiß

Aber wieso? Fliegende Bierdosen und BILD-Journalisten sind die Kollateralschäden, die man einpreisen muss, wenn man eine Karriere unter öffentlichem Auge anstrebt, Idol werden will.
Im Gegenzug winkt ein Leben in Saus und Braus mit goldenem Schnitzel. Oder etwa nicht? Kehliges Lachen attestiert Aversion: „Damals war das ein ganz normaler Beruf. Da gabs keine Millionen. Heute sind Fußballer Superstars, der Fußball selbst aber lange schon kein Volkssport mehr, sondern fremdbestimmtes Entertainment für die Massen“, erklärt Rudi. Er hielt jedem Anbiederungsversuch stand, machte lieber eine Ausbildung. Der Profikarriere hat er die rote Karte gezeigt. Gelegentliches Kicken in der Freizeit die Extraportion „scharf“ auf der Schlemmerplatte des Lebens. Kurzum: Rudi war realistisch. War damals genauso weit davon entfernt, Gerd Müller zu sein, wie Gerd Müller von einer Mitgliedschaft bei Boney M., fand er. Diesen Entschluss bedauert er keinesfalls. Ein fachkundiger Blick in die Fußballkultur der heutigen Zeit bestärkt ihn.

14.11.2022
Gelsenkirchen
Kampfbahn Glück Auf von Schalke 04 an der Kurt Schumacher Strasse 
ehemaliger Schalke Nicht Profispieler Rudolf Schonhoff 
foto: copyright  marco stepniak  -  
mobil  +49 171 2771906 , marco@stepniak-bild.de
16. August 1975: Das ist der Tag, an dem Rudolf Schonhoff - Kapitän Rudi - das erste Mal Bundesliga spielen durfte. Gegen den MSV Duisburg wurde der solide 5:1-Heimerfolg eingeheimst. 

Es muss sich etwas ändern

„Die Entwicklung im Fußball ist fatal”, mahnt er. Eine Revolution müsse her. „Die Fans – und die tragen diesen Sport – haben die Nase voll.“ Es ist spürbar. Zieht es die jungen Massen, „die Nachfolger”, vermehrt zu Spielen der A-Jugend oder vierten Liga. Noch fehlt es an nötigem Druck, systemische Strukturen zu ändern, die sich seit Jahrzehnten schleichend eingebürgert haben. „Entweder Fußball wird wieder Volkssport oder er geht unter“, blickt Rudi mit Schwere gen Zukunft. Wie es so weit kommen konnte, wie es damals unter Max Merkel, neben Klaus Fichtel und gegen die Zebras wirklich war, hat er niedergeschrieben. In seinem Buch „Ein anderer Weg“ beschreibt er Emotionen und Entschlüsse, den rasanten Weg nach oben und den Selbstbestimmten wieder zurück. Memoiren, stets geschrieben mit blau-weißem Herzblut, das immer noch durch seine Adern schießt.

Info

Rudolf Schonhoff: "Ein anderer Weg"
ISBN: 978-3-86455-201-4

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