Kinder, die nicht mehr bei ihren Eltern leben können, erhalten bald in Lippramsdorf, unweit der Marler Stadtgrenze, ein neues Zuhause.
Geschäftsführer Dr. Dietmar Kehlbreier und Bauabteilungsleiter Johannes Burrichter beugen sich über einen detaillierten Grundriss. David Cziudaj, Geschäftsfeldleiter Erziehung & Förderung der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen, ist online zugeschaltet. Es geht um letzte Details der Ausschreibung für den Rohbau. „Wir warten gerade auf die Baugenehmigung“, berichtet Johannes Burrichter über den Stand des Verfahrens.
Das, was hier noch zweidimensional auf Papier gedruckt ist, soll noch in diesem Jahr beginnen zu wachsen, auf der sprichwörtlichen „grünen Wiese“ des Evangelischen Gemeindezentrums Lippramsdorf. Spätestens ab dem Frühjahr 2026 sollen dort zwölf Kinder im Vor- und Grundschulalter ein neues Zuhause finden – vielleicht das erste gefestigte Zuhause ihres noch jungen Lebens. Denn die Kinder werden aus belasteten bzw. krisenhaften Familien stammen, bei denen das Jugendamt eine Inobhutnahme angeordnet hat. „Die Gründe können zum Beispiel in psychischen Erkrankungen oder Suchtproblematiken in der Familie liegen“, erklärt Geschäftsfeldleiter David Cziudaj.
Bedarf an Betreuungsplätzen steigt
Gut 100 Kinder und Jugendliche betreut die Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen bereits in stationären Einrichtungen und ist damit über das Vest hinaus der größte Träger der Region. Der Bedarf sei leider deutlich höher und steige, auch infolge der Coronapandemie. Das hat auch der Brandbrief von Dattelns Bürgermeister André Dora an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst im vergangenen Herbst deutlich gemacht, nachpumpe zum Tragen. Jedes Kind hat ein eigenes Zimmer. Pro Etage stehen den Kindern drei Bäder zur Verfügung. Zusätzlich gibt es eine Trainingswohnung mit Übernachtungsmöglichkeit für Eltern. „Da können sie auch mal mit einem Betreuer oder einer Betreuerin zusammen kochen und an bestimmten Verhaltensweisen arbeiten“, so David Cziudaj. „Jugendhilfe ist immer auch Familienhilfe.“ Das engmaschige Netz an begleitenden Hilfen der Diakonie in der Region, auch für die Eltern, sei ebenfalls ein Standortvorteil – neben der intakten gewachsenen, allerdings auch alternden Stadtteilstruktur mit einem guten Angebot an Kitas und Schulen. Auch von der Kirchengemeinde erhofft sich die Diakonie Synergien für eine gelingende Integration der Kinder.
"Jugendhilfe ist immer auch Familienhilfe."
David Cziuda
Sorgen sind unbegründet
Einzelne Sorgen der Anwohner nimmt Geschäftsführer Kehlbreier ernst, hält sie aber für unbegründet – etwa aufgrund der positiven Erfahrungen aus anderen Einrichtungen. „Sobald die Kinder erstmal da waren, haben sich alle Sorgen zerstreut. Kinder mit Unterstützungsbedarf sind nicht automatisch Problemkinder.“ Auf zwei Veranstaltungen sei man bereits mit der Nachbarschaft in Dialog gegangen. Rein rechnerisch kommt auf jedes Kind eine Vollzeitkraft. Die Rückführung in die Familie habe Priorität, erklärt Cziudaj. „Ist eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie nicht möglich, bleibt das Kind in der Einrichtung oder – sollte es einen anderen pädagogischen Bedarf haben oder eine neue Umgebung mit anderen Menschen benötigen – erfolgt in enger Kooperation mit Eltern und Jugendamt die Vorbereitung und Umsetzung der Vermittlung in eine andere Wohnform. Dazu haben wir verschiedene bedarfsorientierte Wohngruppen im Kreis Recklinghausen, in die das Kind wechseln kann.“ Bauabteilungsleiter Johannes Burrichter und Bauleiter Sven Eschenröder hoffen nun, spätestens im Herbst mit dem Bau beginnen zu können. Bei einer feierlichen Eröffnung 2026 werden dann auch die Nachbarn Einrichtung und Kinder kennenlernen können.
INFO:
Ev. Jugendhilfe Recklinghausen
Aufnahmeanfragen: Heinrich Thesing
Tel. 02361 6086-10
www.diakonie-kreis-re.de/kinder-familie