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Reisefreiheit für Fische
Mehr Kurven, mehr Platz und ein Auenwald: Der Schermbecker Mühlenbach wird im Mündungsbereich zur Lippe ökologisch umgestaltet. I Foto: Andreas Fritsche/EGLV

Reisefreiheit für Fische

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Claudia Schneider

Von der Renaturierung des Mündungsbereichs am Schermbecker Mühlenbach profitieren Mensch und Tier.

Die Gemeinde Schermbeck verdankt ihren Namen dem Schermbecker Mühlenbach. Sogar im Wappen ist er als Welle vertreten. Seit dem Sommer bekommt der Mündungsbereich des Bachs mehr Raum: Er wächst von 190 Metern auf 460 Meter Länge. Ende Juni hatte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser den ersten Spatenstich am Mündungsbereich zur Lippe vor­genommen. Der Bach trifft dort mit einem sehr steilen Gefälle auf die Lippe – Fische und andere Wasser­bewohner tun sich schwer, die Stelle zu passieren und schaffen es entgegen der Strömung kaum.

Ausbaggern klappt schneller 

Deswegen gestaltet der Lippeverband im Auftrag des Landes NRW den Mündungsbereich naturnah und flacher. Drei GPS-gesteuerte Bagger sind seit Juli im Einsatz, um das neue Bachbett zu gestalten. 35.000 Tonnen Bodenaushub werden insgesamt entfernt, um dem Schermbecker Mühlenbach mehr Raum zu geben. Die Arbeit geht schneller voran als gedacht: 80 Prozent des Bodenmaterials sind bereits ausge­baggert worden. Da die Bodenqualität extrem gut ist, musste man den Aushub nicht wegwerfen oder kilometerweit woanders hin transportieren. Das Material konnte auf landwirtschaftliche Flächen in der Region aufgebracht werden. Wenn alles weiter so gut läuft, wird die Mündung zur Lippe voraussichtlich schon Anfang 2022 geöffnet – das wären dann fast zwei Monate früher als ursprünglich geplant.

Sohlgleiten als Fischtreppe

Der neue Bachverlauf muss einen Höhenunterschied von rund 2,60 Metern überwinden. Sogenannte Sohlgleiten helfen, das Gefälle auszugleichen. Sohlgleiten kann man sich wie Treppenstufen im Bach vorstellen, über die Fische von oben nach unten und vor allem von unten nach oben gelangen können. Es kommt eine besondere Technik zum Einsatz: Pro Sohlgleite werden zwölf Becken kaskadenartig miteinander verbunden. Durch kleine Schlitze können die Fische ins nächsthöhere Becken gelangen, dort ausruhen und weiterwandern.

Artenreichtum vervielfacht

„Der Artenreichtum in der Lippe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht. Das liegt zum einen am technischen Ausbau unserer Kläran­lagen, aber auch an baulichen Renaturierungsmaßnahmen, dank derer wir Fischen, Amphibien und seltenen Vögel wieder mehr Lebensraum bieten. Diese Entwicklung erhoffen wir uns auch für den Mündungsbereich hier im Schermbeck“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des Lippeverbands. Beim Bau gefundene alte Holzstämme hat der Lippeverband als Lebensraum für Kleintiere verbaut, Schilfbestände umgesetzt und den Mühlenbach um 270 Meter verlängert. Aktuell leben rund 24 Arten in dem Lippe-Nebenlauf – nach dem Umbau sollen Bachforelle, Döbel oder Barbe zwischen Mühlenbach und Lippe hin und her schwimmen können.

Mehr Platz für Wassermassen

Man kann es schon sehen: Der neue Bachverlauf wird sich in großen Kurven durch die Landschaft schlängeln. In normalen Zeiten fließen rund 150 Liter pro Sekunde durch den Bach – beim Zehn-Jahres-Hochwasser können es auch schon mal bis zu 5.000 Liter pro Sekunde sein. Dann braucht der rund zwei Meter breite Bach viel mehr Platz. Den bekommt er jetzt. Zusätzliche Retentionsflächen wird ein neuer Auenwald bieten. Und sollte der Wasserstand der Lippe drastisch steigen, könnten sich demnächst die Wassermassen in den neuen Mündungsbereich des Mühlenbachs ausbreiten. Der bis zu 4,5 Millionen teure Gewässerumbau wird sich lohnen.

Info
Emscher Lippe Genossenschaft Verband (EGLV)

www.eglv.de/

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