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Heimatklänge

Heimatklänge

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Michael Polubinski

Titelfoto: Volker Beushausen

Ein Gespräch mit der bekannten Jazz-Interpretin Romy Camerun am Rande eines Konzertes in Wulfen mauserte sich zu einer Liebeserklärung an Dorsten.

Wer ist das und was muss dieser Person eigentlich passiert sein, damit sie von der Stimmungslage her zunächst „gerührt wie Apfelmus“ ist? Sie heißt Romy Camerun. Sie zählt zu den profiliertesten Jazz-Interpreten in unserer Republik. Dieser Verbal-Striptease war Mitte September nach ihrem Auftritt im Gemeinschaftshaus Wulfen zu hören. Und wieso diese Rührung? Noch mal Originalton der 56-Jährigen: „Als ich in die Gesichter des Publikums sah und hierbei einige wiedererkannte, wusste ich, wieder daheim zu sein.“

Im Alter von drei Monaten ist sie von der Familie Hoffmüller aus Dorsten adoptiert worden und in der Lippe- stadt aufgewachsen: „Die Hoffmüllers hatten bereits zwei Jungs im Alter von zwölf und fünfzehn und wollten sicher- lich noch was Gutes tun.“ Ab dem fünften Lebensjahr erlernte sie bei Anton Brokemper das Klavierspiel. Als Schülerin im Gymnasium St. Ursula sammelte sie als Chorsängerin weitere musikalische Erfahrungen. „Wir sangen Bach-Motetten rauf und runter.“
Dankbar erinnert sich die einstige Klosterschülerin an die Ordensschwestern Lucia und Angela, die ihr wichtiges Rüstzeug für die spätere Laufbahn mitgegeben hätten. Wahrscheinlich wirkte das Engagement in der Band „Madrugada“ mit der Zwischenstation im Blues- Sektor letztendlich als Initialzündung für die aktuelle Karriere als Jazz-Musikerin.


Erster Gig nach Lockdown


In Wulfen absolvierte Romy Camerun ihren ersten Gig nach dem Lockdown. Davor hatte sie mit der „Dreigroschenoper“ ein Engagement am Goethe-Theater in Bremen, wo sie auch lebt. Das Ensemble hatte seit Ende Dezember für das Theaterstück geprobt und bis zum Lockdown im März gerade mal zwei Aufführungen hinter sich. „Würde ich nicht an der Bremer Hochschule für Künste und an der Essener Folk-wang Musikhochschule lehren, hätte es für mich wirtschaftlich ganz übel ausgesehen.“
Romy Camerun war und ist in der Welt zu Hause. Sie lebte in Los Angeles,
arbeitete in der Schweiz, Holland, in Griechenland und Italien und häufig in Frankreich mit dem französischen Glenn Miller Orchester. Den Weg dorthin pflasterten Auszeichnungen und Erfolge wie der Sieg bei „Jugend jazzt NRW“, Preisträgerin beim WDR-Wettbewerb „Stadtmusik“ (Köln) und das erreichte Halbfinale der „Thelonius Monk International Jazz Vocal Competition“ in Washington D.C. Nach der ersten CD „Bridges“ (1994) nahm sie eine Live-CD mit Clark Terry auf. Parallel zu ihren Solokonzerten ist die Zusammenarbeit mit Peter Herbolzheimer, der Bigband vom Hessischen Rundfunk und dem Siggi Gerhard- Swingtett erwähnenswert.

Die Wulfener Veranstaltung im Rahmen der Konzertreihe „FineArtJazz“ war eingebettet in das Format „Heimatklänge“. Hierbei geht es um herausragenden Jazz an besonderen Orten im nördlichen Revier. „Heimatklänge“ sollen Identität stiften und eine neue Sicht auf die Region und Städte ermöglichen.


„Das ist meine Stadt“


Bei der Protagonistin des Abends hat das hervorragend geklappt, zumal mehr Heimspiel kaum geht: „Das ist meine Stadt. Soviel Wälder, soviel Grün habe ich wiederentdeckt.“ Das sagt Romy Camerun, während vor ihrem Auftritt die September-Sonne den Barkenberger See und die angrenzenden Bäume in ein traumhaftes Licht taucht und sie genüsslich an der selbstgedrehten Zigarette zieht. Ihre dralle Stimme klingt fast verzückt.

Um etwas über die Wurzeln der dekorierten Künstlerin zu erfahren, ist Nachbohren angesagt. Ihre Mutter, soviel lässt die Jazzmusikerin heraus, ist eine katholische Westfälin. Wahrscheinlich auf Druck der Gesellschaft gab sie das Kind in ein Kinderheim. Ihr Künstlername weist offenbar auf ihren Vater hin. Die sparsame Erläuterung: „Die Spur verliert sich jedenfalls in Kamerun …“

Info
Romy Camerun

www.publicjazz.de
www.romy-camerun.de

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