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Design ex machina
Fotos: Lisa Haselbach / Cosplay ist echtes Handwerk, jedes Teil ist handgemacht: Genäht, modelliert, geschliffen, geschustert,gefärbt.

Design ex machina

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Karoline Jankowski

Zwischen Stoffbergen und Modellierharz erschafft Mia Tingilya in Dorsten Fantasy-Helden, die weltweit gefeiert werden.

Auf den Dielen der Wohnung liegt ein wilder Mix aus Stoffen und Ideen: Cognacfarbenes Kunstleder, mittelalterlich anmutende Leinenbahnen, edle Seidentücher, dazu Modellierharz und Metallpulver. Man könnte fast meinen, Cinderellas kleine Helfer krabbeln gleich aus den Dielenritzen und fangen an zu zaubern. Aber nein – hier gibt’s nur einen „kleinen Helfer“: Mia Tingilya, eine der erfolgreichsten deutschen Cosplayerinnen, die gerade am Kostüm von Königstochter Ciri arbeitet. Ihre Wohnung ihr Atelier – ein kreatives Chaos, in dem Fantasie zur Realität wird.

Olymp erklommen

Eigentlich begann Mia ihren Berufsweg ganz woanders – nämlich in einem schicken Hotel in Bayern. Doch das haute sie auf Dauer nicht vom Hocker. Da musste mehr sein. Und dieses „mehr“ fand sie Stück für Stück auf Cosplay-Contests. Mit Geduld und Feingefühl lernte sie, Kostüme zu entwerfen und die Charaktere, die sie darstellen wollte, immer besser zu verstehen. Der große Knall kam 2015: Mia schaffte es in die Top 10 beim Cosplay-Contest der Spielefirma Blizzard, bekannt für „World of Warcraft“ und „Diablo“. Im Katalog für attraktive Berufsmodelle war Cosplay noch keine etablierte Berufung. Egal, no risk, no fun, heißt es ja: „Viele warnten mich vor der Selbstständigkeit. Es sei so viel Arbeit. Ich hatte schon 18-Stunden- Schichten für andere geschuftet – da war es nur logisch, es für mich selbst zu tun“, schmunzelt Mia über Skepsis vor neuen Wagnissen. Sie schien zur richtigen Zeit, am richtigen Ort die richtigen Fähigkeiten gehabt zu haben. Heute arbeitet Mia für Freizeitparks, Gaming-Firmen, Musikproduktionen und Conventions– sowohl im Design, als auch in der Darstellung.

Fremde Welten

Ein besonderes Highlight ihrer Karriere war die Arbeit für das Spiel „Cyberpunk 2077“. Ihr Charakter: Dum Dum, ein Mitglied des Malestrom-Clans – futuristisch, bionisch und hart. Die Produktion war wie der Bau einer Kathedrale – Schicht für Schicht, eine Herausforderung. „Ich war so tief in der Rolle, dass ich mir sogar meine Haare und Augenbrauen abrasiert habe, um Dum Dum so real wie möglich darzustellen.“

Es zahlte sich aus: Die „Cyberpunk“-Promo war ein Erfolg, und dann meldete sich Specter Berlin, einer der größten Art Directors der deutschen Rap-Szene. „Ich dachte nur: ‚Hä, was will der von mir?‘“ Er wollte Dum Dum für Rapper Olexesh‘ Musikvideo „Chrome Gopnik“.
Und so stand sie schließlich am Set, komplett in der Rolle – Musclesuit, Gesichtsplatten, alles am Körper. „Die Entourage lief an mir vorbei und rief die ganze Zeit ‚Krass, Bruder, krass!‘“, erzählt sie. „Irgendwann habe ich dann leise ‚Dankeschön‘ gesagt – und plötzlich war es still. Niemand hat gemerkt, dass ich eine Frau bin.“ Für mich ein riesiges Kompliment.

„Dorsten ist so etwas wie ein kleiner Mikrokosmos für Kreative“, sagt sie. Kein Wunder, denn ihr Freundeskreis – Kami Zero und Carina Pusch z.B. (wir berichteten). – wohnen gleich um die Ecke. Perfekte Bedingungen, um sich kreativ auszutoben.

INFO:
Instagram: @tingilya.cosplay

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