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Der Körper bleibt
Foto: Sebel

Der Körper bleibt

Lesedauer: ca. 3 Min. | Text: Angelika Herstell

Zwei unterschiedliche Perspektiven, die doch dasselbe leisten – ob für die Wissenschaft oder die Popkultur – sie machen den Tod greifbar und das Leben verständlicher.

Es gibt viele Wege, dem Tod Bedeutung zu geben. Monika möchte Teil der Körperwelten werden – einer Ausstellung, die Besucherinnen und Besuchern die Vergänglichkeit in eindrucksvollen Bildern vor Augen führt. Ganz anders die Arbeit von Prof. Dr. Gunther Wennemuth an der Uniklinik Essen, deren Studierende im Dorstener St. Elisabeth ausgebildet werden: Hier dienen Körperspenden der Wissenschaft und Lehre.

Ein Hauch Ewigkeit

Wenn Monika – in hoffentlich ferner Zukunft – nicht mehr lebt, wird ihr Körper bleiben. Nicht einbalsamiert, nicht eingefroren, sondern plastiniert – für die Ausstellung Körperwelten. Die 57-jährige Krankenhausmitarbeiterin hat sich schon vor 15 Jahren beim Institut für Plastination in Heidelberg angemeldet. Damals war sie so fasziniert von der Schau, dass für sie feststand: Auch ihr Körper soll einmal Teil davon werden. Die Vorstellung, verbrannt oder beerdigt zu werden, fand sie schon immer gruselig – nicht zuletzt wegen ihrer ausgeprägten Insektenphobie.

Noch vieles Tabu

Im Spenderfragebogen hat sie angegeben, „als Ganzes“ erhalten bleiben zu wollen. Und sie hat vermerkt, dass mindestens eines ihrer vielen Tattoos sichtbar sein soll: „Damit meine Kinder mich erkennen können.“ Ihre fünf erwachsenen Kinder nehmen den Wunsch ihrer Mutter mit Humor. „Die wollen dann freien Eintritt“, erzählt sie lachend. Einer ihrer Söhne hat alle Unterlagen bei sich, um nach ihrem Tod sofort das Institut zu informieren. Auch ihr Lebensgefährte trägt ihre Entscheidung mit. Doch nicht alle reagierten so gelassen. Manche Freunde wandten sich ab, empört über den Plan. „Da habe ich gemerkt, wie stark das Tabu noch ist.“

Keine Unsterblichkeit

An ihrer Entscheidung hat die lebenslustige Frau mit den blonden langen Haaren nie gezweifelt. Es geht ihr dabei nicht um Unsterblichkeit. „Das war nie mein Ziel.“ Sie glaubt weder an Gott noch an ein Leben nach dem Tod. Was sie an Körperwelten reizt, ist die Verbindung von Aufklärung, Ästhetik und Faszination. Und so soll auch ihr eigener Körper eines Tages in eben dieser Ästhetik gezeigt werden. „Mir ist nicht egal, wie ich nach dem Tod aussehe. Das soll schon ansehnlich sein.“ Genau deshalb kam für sie eine Körperspende an ein anatomisches Institut nicht infrage. Nicht, weil sie den Sinn anzweifelt – sondern weil ihr eigener Körper sichtbar bleiben soll. 

Ein Hauch Erkenntnis

Wer seinen Körper einem anatomischen Institut vermacht, weiß: Von seiner sterblichen Hülle bleibt wenig übrig. Den Spendern geht es nicht um Ästhetik oder „Unsterblichkeit“ wie bei Körperwelten – im Gegenteil. „Wer uns seinen Körper vermacht, möchte, dass Studierende an ihm noch etwas lernen können“, sagt Prof. Dr. Gunther Wennemuth vom Institut für Anatomie der Uniklinik Essen. Manche wollten sich so auch für eine Behandlung bedanken, andere die Kosten für Angehörige geringhalten. Doch wer denkt, das Institut übernehme alle Bestattungskosten oder zahle sogar Geld, irrt: Spender tragen bis zu 900 Euro selbst – je nach gewünschter Beisetzung, die frühestens zwei Jahre später erfolgt.

Lernen mit Respekt

Vor der Aufnahme führt das Institut intensive Gespräche. „Wir raten auch, mit den Angehörigen offen zu sprechen, denn sie müssen mit der Situation umgehen können“, so Wennemuth. Die Zusage lässt sich jederzeit zurückziehen, was aber selten geschieht. Interessenten gibt es genug – registriert werden nur Menschen ab 70. „Wir wollen keine Vereinbarungen, die Jahrzehnte in der Schublade liegen.“ Auf die Präparierkurse, in denen die Körperspenden in erster Linie Verwendung finden, werden die Studierenden sorgfältig vorbereitet, auch ethisch. „Der Respekt ist groß. Sie arbeiten distanziert und wissbegierig – doch wenn sie die Beerdigung mitgestalten, tritt der Mensch hinter dem Körper hervor. Dann rücken die Spender als Persönlichkeiten in den Vordergrund. Unsere Studierenden sind ihnen sehr dankbar.“

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