Es ist wichtig, innovative Wege zu finden, um Schülern ein umfassendes Lernumfeld zu bieten, das über das Klassenzimmer hinausgeht. Mit großem Engagement und in enger Zusammenarbeit mit den Dorstener Schulen widmet sich das Amt für Schule und Weiterbildung diesem Ziel.
Das Wort „Remigration“ ist derzeit so allgegenwärtig wie Taylor Swifts neuer Albumtitel. Wie sehr Popkultur und soziale Medien den Wertekompass junger Menschen beeinflussen können, zeigt nicht zuletzt die Sängerin selbst mit ihrem Einfluss auf die US-Wahlen. Für Bildungseinrichtungen wird eine nachhaltige politische und gesellschaftliche Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler daher immer schwieriger. Die Kinder- und Jugendkultur ist mit einer ganzen Batterie von Workshops, Vorträgen und Inszenierungen gerüstet.
Wie funktioniert das alles?
Sabine Podlaha: Wir stehen sowohl mit den Schulen als auch mit Theatern in engem Kontakt und pflegen einen ständigen Austausch. Die Lehrerschaft spiegelt, welche Themen gerade besonders brisant sind. Die Theater wiederum lassen sich auf diese Impulse ein und schaffen einen völlig anderen Zugang, als es normale Unterrichtsstunden könnten.
Anke Klapsing-Reich: Insgesamt sind im aktuellen Schulkulturprogramm 3.500 Personen eingebunden, in der gesamten Kinder-, Jugend- und Schulkultur waren es in der letzten Saison 7.000, das ist einzigartig. Besonders hervorzuheben ist die Inszenierung „Bunte Fische überall“, ein Stück über Homophobie im Alltag, aus der Feder von Kathrin Schrocke.
Kathrin Schrocke: Idealistische Projekte dieser Art, in denen viel Herzblut steckt, sind kommerziell meist nicht interessant, in der Öffentlichkeit daher oft nicht sichtbar. Mein Roman „Bunte Fische überall“ läuft im Rahmen dieses Programms als szenische Lesung. Um Authentizität zu schaffen, wird der Hauptpart von der jungen Schauspielerin Katharina Abel übernommen.
Stefanie Reul: …und sie hat es wirklich geschafft, mit dem Publikum zu einer Einheit zu verschmelzen. Im Stück bekommt die 13-jährige Barnie von ihren beiden Vätern ein Tagebuch – aus dem trägt Katharina Abel frei vor, schafft es gleichzeitig aber, die Reaktionen des Publikums zu notieren und im Nachgang charmant zu erörtern, ob und wie der Inhalt verstanden wurde. Dieser persönliche Zugang ist der Schlüssel.
Welche Rolle spielen die neuen Medien?
Claudia Trachternach: Wir haben einen Vortrag mit Dr. Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz NRW zum Thema Extremismus. Er spricht über die aktuellen Tendenzen, Jugendliche für sich zu gewinnen. Wir planen eine Lehrerfortbildung, um über die Mechanismen aufzuklären. Damit wollen wir auch die Eltern sensibilisieren. TikTok taucht immer wieder negativ auf – vor allem als Recruiting-Maßnahme rechter Gruppen – aber Musikstreaming oder Gratismusikveranstaltungen sind ein viel größerer Impulsgeber und viel subtiler, als man denkt.
Wie kommt man an dem Punkt an die Jugendlichen heran?
Trachternach: Dialoge führen, Fragen stellen. Welche Ängste sind da? Aus welchen Gründen sucht man vermeintliche Alternativen? Wieso findet man sie gut? Wir brauchen unterschiedliche Zugänge, um unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Sozialisierung anzusprechen.
Podlaha: Wir bemühen uns, möglichst alltagsnahe Geschichten oder persönliche Beispiele zu finden, um dem Diskurs ein Gesicht zu geben.
Trachternach: Ungemütliche Meinungen nicht verschmähen. Das schafft Distanz und verankert sie in ihrer Blase.
Wie schätzen Sie die aktuelle gesellschaftspolitische Lage in Dorsten ein?
Klapsing: Bei der Demo gegen Rechts haben fast alle Schulen Präsenz gezeigt. Das Paul-Spiegel-Berufskolleg z.B. engagiert sich gegen Antisemitismus, die Ursula-Schulen kümmern sich um die Pflege der Stolpersteine, das Petrinum kooperiert mit „Dorsten gegen Rechts“. Handlungsbedarf ist immer da, aber im Grunde sind wir da ganz gut aufgestellt.
Was sind die größten Herausforderungen beim Thema Bildung?
Reul: Wir müssen die Beziehung zu unseren Schülerinnen und Schülern pflegen und Vertrauen schaffen.
Podlaha: Jugendliche müssen erfahren, dass Bildung Spaß macht. Im Sinne von: Ich werde persönlich dadurch ergriffen, es bedeutet etwas für mein Leben. Und man muss einfach Geld in die Hand nehmen. Wenn gespart werden muss, dann zuerst bei der Kultur. Das geht zu Lasten der Qualität – und ohne geht es nicht.